Stellungnahme der KEF vom 15. Dezember 2021 zu dem Diskussionsentwurf der Rundfunkkommission der Länder zu Auftrag und Strukturoptimierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (Stand: November 2021)

Die Rundfunkkommission der Länder hat am 20. Oktober 2021 konkrete Vorschläge für eine Reform von Auftrag und Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beschlossen und diese in Form eines Entwurfs von Änderungen des Medienstaatsvertrags zur öffentlichen Diskussion gestellt. Erst in einer späteren, zweiten Phase der Reform soll es auch um Fragen der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gehen.

Die Kommission stellt fest, dass die vorgesehene Flexibilisierung des Auftrags vornehmlich der Anpassung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an veränderte Nutzungsgewohnheiten und der Stärkung des öffentlich-rechtlichen Profils im Umfeld der Digitalisierung dient.

Sie ist der Auffassung,

  • dass die Auftragsflexibilisierung – vor allem in Zusammenschau mit der bereits erfolgten Ausweitung des Telemedienauftrags im geltenden Medienstaatsvertrag – eher zu Aufwandssteigerungen führen wird,
     
  • dass in jedem Fall auch ein flexibilisierter Auftrag eine Nachprüfbarkeit durch die KEF ermöglichen muss,

und nimmt zu dem Diskussionsentwurf im Einzelnen wie folgt Stellung:
 

1. Zusammenhang von Auftrag und Finanzbedarf

Aus Sicht der KEF hat die Definition des öffentlich-rechtlichen Auftrags immer auch unmittelbare und mittelbare Auswirkungen auf den Finanzbedarf der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Der vom Grundrecht der Rundfunkfreiheit umgrenzte und staatsvertraglich ausgeformte Programmauftrag beschreibt die Reichweite der verfassungsrechtlich gewährten Finanzierungsgarantie der Rundfunkanstalten. Damit bestimmt der Programmauftrag die Bedarfsanmeldungen und setzt zugleich den Rahmen für die Bedarfsfeststellung der KEF. Vereinfacht gesagt folgt die Finanzierung dem Auftrag.

In diesem Sinne hat auch das Bundesverfassungsgericht in seinem jüngsten Beschluss zur Rundfunkfinanzierung bestätigt, dass der Gesetzgeber die Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in abstrakter Weise festlegen und damit auch den Finanzbedarf umgrenzen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juli 2021, Rdnr. 88). Daraus folgt, dass die Diskussion über die zukünftige Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Auftrags untrennbar mit der Diskussion über dessen Finanzbedarf zusammenhängt. Der Auftrag gibt den Rahmen für die Programmentscheidungen der Rundfunkanstalten und in der Folge deren Bedarfsanmeldungen vor und begrenzt so von vornherein den Finanzbedarf der Anstalten. Er ist damit der wichtigste Bestimmungsfaktor für die Höhe des Rundfunkbeitrags.
 

2. Auswirkungen der Auftragsflexibilisierung auf den erforderlichen Aufwand

Der Diskussionsentwurf sieht in bestimmten Bereichen eine Flexibilisierung des Programmauftrags vor. Einige der bislang beauftragten Partner- und Spartenprogramme von ARD und ZDF können ganz oder teilweise eingestellt oder in Angebote gleichartigen Inhalts im Internet (sowohl linear als auch auf Abruf) überführt oder ganz ausgetauscht werden.

Aufwandsminderungen könnten sich dabei allein für den Fall der ganz oder teilweisen Einstel- lung von Programmen gegeben. Einsparungen in signifikanter Höhe wären insofern jedoch nicht zu erwarten. Der aktuelle Aufwand für die betroffenen Partner- und Spartenprogramme ist im Verhältnis zum anerkannten Gesamtaufwand der Rundfunkanstalten vergleichsweise gering. 

Im Fall der Überführung oder des Austauschs der Programme ist hingegen eher mit einer Kostensteigerung zu rechnen. Insbesondere führt eine Fokussierung auf die Online-Verbreitung wegen der dort nutzungsabhängigen Verbreitungskosten tendenziell zu Mehraufwand. Dies gilt nicht zuletzt, weil die Verbreitungskosten explizit von der im Entwurf geregelten Kos- tendeckelung ausgenommen sind (s. dazu aber auch sogleich unter 3.). Überdies zeigen sich im Bereich der Telemedien bzw. Online-Angebote schon jetzt auch bei anderen Aufwandsar- ten deutliche Aufwandssteigerungen.

Ebenso birgt die unabhängig von der Flexibilisierung vorgesehene weitere Ausweitung des Telemedienauftrags für europäische und ggf. sogar internationale Lizenzwerke Potenzial zur Kostensteigerung – vor allem in Zusammenschau mit der bereits erfolgten Ausweitung des Telemedienauftrags im geltenden Medienstaatsvertrag.
 

3. Problematik einer Kostendeckelung

Sofern geregelt werden soll, dass durch die Überführung oder den Austausch von Fernsehprogrammen grundsätzlich kein Mehrbedarf entstehen darf, ist zweifelhaft, ob ein solch allgemeiner Kostendeckel im Rahmen der Beauftragung einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhält. Der Grundsatz der Trennung zwischen der allgemeinen Rundfunkgesetzgebung und der Festsetzung des Rundfunkbeitrags soll Risiken einer mittelbaren Einflussnahme auf die Wahrnehmung des Programmauftrags ausschließen und damit die Programmfreiheit der Rundfunkanstalten sichern. Da Programmentscheidungen finanzielle Voraussetzungen und Finanzentscheidungen programmliche Konsequenzen haben, kann über Entscheidungen zur Finanzausstattung auf indirekte Weise Einfluss auf die Erfüllung des Rundfunkauftrags genommen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juli 2021, Rdnr. 86). Der vorgesehene Kostendeckel stellt aber eine solche Entscheidung zur Finanzausstattung dar.
 

4. Überprüfbarkeit des flexibilisierten Auftrags durch die KEF

Der Finanzbedarf des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird regelmäßig entsprechend den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, einschließlich der damit zusammenhängenden Rationalisierungspotenziale, auf der Grundlage von Bedarfsanmeldungen der Rundfunkanstalten durch die KEF geprüft. Dies bezieht sich unter anderem darauf, ob sich die Programmentscheidungen im Rahmen des rechtlich umgrenzten Rundfunkauftrags halten.

Der Genauigkeit der gesetzgeberischen Vorgaben zum Auftrag sind dabei allerdings durch die Programmfreiheit der Rundfunkanstalten Grenzen gesetzt. Die staatlichen Vorgaben dürfen, unabhängig davon, ob dies überhaupt praktisch möglich wäre, bereits von Grundrechts wegen nicht so detailgenau sein, dass sich daraus der Rundfunkbeitrag der Höhe nach ableiten ließe (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juli 2021, Rdnr. 89). Umgekehrt verlangen aber die Vorgaben des europäischen Beihilferechts gerade eine hinreichend konkrete Auftragsdefinition, um die Verwendung der öffentlichen Beitragsmittel überprüfen und rechtfertigen zu können.

Auch ein flexibilisierter Auftrag muss also nach wie vor so hinreichend konkret definiert sein, dass eine Überprüfbarkeit durch die KEF gewährleistet ist. Im Bereich der mittelbaren Beauftragung der Telemedienangebote im Wege des sog. Drei-Stufen-Tests sieht § 32 Abs. 2 des geltenden Medienstaatsvertrags insofern vor, dass die Beschreibung aller Telemedienangebote (sog. Telemedienkonzept) einer Nachprüfung des Finanzbedarfs durch die KEF ermöglichen muss. Im Diskussionsentwurf fehlt eine entsprechende Norm aber für die Angebotskonzepte, die ARD und ZDF bei Einstellung, Überführung und Austausch von Programmen vorzulegen haben.


Die Stellungnahme finden Sie hier als Download.

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